Passivhaus Kongress 2010: Branche rüstet sich für den Massenmarkt
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Passivhaus Kongress 2010: Branche rüstet sich für den Massenmarkt

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Passivhaus Kongress 2010: Branche rüstet sich für den Massenmarkt

Das Passivhaus findet den Weg aus der Nische und ist dabei ein Produkt für die breite Masse zu werden.

Das ist das zentrale Ergebnis des Passivhaus-Kongresses „Passivhaus in der Praxis“, der am 26. Februar in Stuttgart stattfand. Am Rande der Energiemesse „CEP – Clean Energy & Passivehouse“ zogen 14 hochkarätige Passivhaus-Experten mit ihren Vorträgen das Publikum in ihren Bann und zeigten Wege auf, wie das Passivhaus künftig als praxistaugliches Haus zum allgemeinen Baustandard werden kann.

Der Kongress wurde gemeinsam vom Messeveranstalter Reeco und dem Verein Pro Passivhaus e.V. durchgeführt und vom Verleger des Passivhaus Kompendiums, Johannes Laible, moderiert. Rund 100 Zuhörer von Planungsbüros, Bauunternehmen und Herstellern lauschten interessiert und diskutierten leidenschaftlich.

Einig waren sich alle Referenten, dass das konsequente energieeffiziente Bauen längst keine Angelegenheit mehr für wenige engagierte Bauherren, Unternehmen und Kommunen ist. Entscheidend für den künftigen Erfolg des Passivhauses werden Kosten und Qualität von Planung und Bauausführung sein.

Eröffnet wurde der Kongress durch Roland Matzig, Vorstand des Vereins Pro Passivhaus und selbst erfahrener Passivhaus-Architekt. Er skizzierte kurz die ambitionierten Ziele des Vereins – man werde nicht ruhen, bis das Passivhaus gesetzlich verbindlicher Baustandard sei. Matthias Laidig goss seine langjährigen Erfahrungen mit der Frischluftheizung in einen spannenden Vortrag: Für Geschosswohnungen und kleinere Häuser ist es demnach auch in Zukunft völlig ausreichend, die obligatorische Wohnungslüftung auch für die notwendige Restheizung im Passivhaus zu nutzen.

Zusätzlichen Heizflächen zur weiteren Steigerung des Komforts stünde freilich nichts im Weg. Laidig präsentierte auch Nutzererfahrungen in Passivhäusern mit Frischluftheizung. Das Ergebnis der Befragung ist nahezu maximale Zufriedenheit: Das Fenster nicht mehr öffnen zu müssen und immer wohltemperierte Atemluft zu haben, wird von den Bewohnern hoch geschätzt.

Timm Engelhardt widmete seinen Vortrag dem Thema Luftdichtheit und zeigte eindrücklich die Zusammenhänge zwischen hoher Luftdichtheit und niedrigem Heizwärmebedarf. Demnach ist die Dichtheit des Passivhauses gegenüber dem aktuell gültigen Baustandard nach Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) um den Faktor 5 verbessert, häufig ist bereits die siebenfache Verbesserung anzutreffen. Thomas Fehlhaber zeigte auf, wie der Wunsch vieler Baufamilien nach massiver monolithischer Bauweise künftig zu realisieren ist.

Dank einer neuen Ziegelgeneration, die mit hochwärmeisolierenden Mineraldämmstoffen gefüllt sind, wird in Zukunft auf zusätzliche Dämmebenen im Ziegelbau verzichtet werden können. Schlankere Wände und Kostenvorteile dürften viele Häuslebauer ansprechen.

Dirk Wiegand, von Moderator Johannes Laible als Fensterpapst angekündigt, zeigte in seinem Vortrag detailliert die Zusammenhänge zwischen U- und G-Werten bei Verglasungen auf; maximale Wärmeisolation einerseits und hohe Wärmeerträge durch Sonneneinstrahlung andererseits, müssen demnach kein Widerspruch sein. Wiegand erläuterte auch anschaulich, wie stark sich kleinste Mängel am Passivhausfenster und beim Einbau, etwa durch unzureichende Überdämmung des Rahmens, auswirken.

Der Nachmittag des Passivhaus-Kongresses stand ganz im Zeichen von Kosten- und Qualitätsmanagement. Martin Sambale, Geschäftsführer der großen Allgäuer Energieagentur eza!, informierte über die Inhalte der Ausbildung zum zertifizierten Passivhausplaner, die aktuell von hunderten Architekten und Fachplanern in ganz Deutschland, aber auch in großen Teilen Europas absolviert wird.

Florian Lang führte anschließend in eine ganz neue Branche innerhalb des Passivbaus ein: Mit Passivhaus-Consulting werden zunehmend Großprojekte aber auch weniger erfahrene Passivhaus-Planer begleitet. Konkretes Qualitätsmanagement steht dabei im Vordergrund, um das gewünschte Bauresultat – den nachweisbaren Passivhausstandard – auch tatsächlich zu erreichen.

Der langjährig erfahrene Passivhaus-Architekt, Erich Baumann, 2009 vom Bundesbauminister mit drei Preisen ausgezeichnet, hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die Einfachheit: Mit einem durchdachten Bausystem seien funktional und gestalterisch anspruchsvolle Lebensräume zu schaffen, die mit einfacher Lüftungstechnik auskommen und dabei kostenseitig konkurrenzfähig zu schlechteren Baustandards sind.

Für die KfW informierte Eckart von Schwerin über die aktuellen und geplanten Veränderungen bei der Förderung energieeffizienter Neubauten und Sanierungen. Er wartete auch mit Zahlen auf: Demnach wurden 2009 rund 1.000 Passivhäuser mit Unterstützung der Förderbank realisiert. Wann allerdings mit einer eigenen Förderklasse für das Passivhaus zu rechnen sein, die Johannes Laible einforderte, musste auch er offen lassen.

In einem letzten Vortragsblock wurden auf dem Passivhaus-Kongress beeindruckende Einblicke in die Praxis gewährt: Architekt Herbert Grießbach zeigt exemplarisch an einem Freiburger Wohn-  und Geschäftshaus, wie Passivhauskomponenten bei einer Sanierung zum Einsatz kommen können und wie mit Kreativität und akribischer Planung nahezu Passivhausstandard erreicht werden kann. Martin Endhardt, ebenfalls langjährig als Passivhaus-Architekt aktiv, stellte eine ganze Reihe von Nichtwohngebäuden vor: Gewerbegebäude, Kindergarten, Schulen, Turnhallen – alles im Passivhausstandard realisiert und das mit hoffnungsfrohen Aussichten.

So wird aktuell untersucht, ob Schüler in Passivhausschulen dank besserer Luftqualität erfolgreicher sind. Werner Füßler schließlich informierte bild- und detailreich über sein persönliches Meisterstück: Als Projektarchitekt verantwortete er den Sophienhof Frankfurt – das mit 149 Wohneinheiten bisher größte Passivhauswohnprojekt in Deutschland. Hier profitieren Mieter und Eigentümer schon von niedrigen Nebenkosten und hohem Wohnkomfort.

Für die Teilnehmer des Passivhaus-Kongresses in Stuttgart war klar: darüber werden sich in wenigen Jahren Millionen in ihren sanierten oder neu gebauten Wohnungen und Häuser freuen.

Quelle: Pro Passivhaus e.V.