Die Fähigkeit von Baustoffen, für Wasserdampf durchlässig zu sein, wird durch die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl beschrieben. Wie diffusionsfähig eine Wand ist, hängt von den Materialien und der Dicke ihrer Schichten ab. Als Diffusionswiderstand einer Schicht gibt man die Luftschichtdicke in Metern an, die der Diffusion (Austausch von Wasserdampf- und Luftmolekülen) denselben Widerstand entgegensetzen würde wie die betreffende Schicht. Je niedriger der Wert, desto weniger wird der Wasserdampf auf dem Weg von der warmen zur kalten Seite gebremst. Für offenporige Konstruktionen ist ein niedriger μ-Wert vorteilhaft, da die Entfeuchtung ungehindert und schnell ablaufen kann. Eine Aussage über die Wirkung eines Materials in einer gegebenen Konstruktion ist nur bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Dicke des Stoffes möglich.
Den Wert dieser diffusionsäquivalenten Luftschichtdicke (abgekürzt sd) bekommt man, wenn man den Wert der Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl (μ) mit der Schichtdicke in Metern mal nimmt.
Dieser μ-Faktor sagt jedoch nur aus, wie gut Wasserdampf (Radius von 0,14-0,16 nm) in einem Material im Verhältnis zu Luft (Radius von 0,2-0,28 nm) [7] diffundiert, aber nichts über die Diffusionsfähigkeit von Wasser. So lässt ein Zementputz (μ =20) den Wasserdampf relativ gut durch, so sperrt er doch Wasser beachtlich gut (relativ große Wassermoleküle mit einem Radius von 0,28 nm [6]). Dies gilt für Materialien, die kein Wasser durchlassen aber trotzdem (Wasserdampf-) diffusionsoffen sind, zum Beispiel Kunststoff-Zement-Putze, Dispersionsfarben. Lehm oder nicht zu hoch gebrannte Ziegel lassen jedoch Wasserdampf und auch flüssiges Wasser diffundieren. [5]
Eine 36,5 cm dicke Mauerschicht aus Ziegelsteinen (μ =8) hätte demnach eine äquivalente Luftschichtdicke von sd= 8 x 0,365 m = 2,92 m.
Bei der Gipskartonverkleidung [4] ergibt sich ein sd-Wert = 8 x 0,0125 m = 0,1 m.
Anstrichmaterialien haben in der Regel ziemlich hohe Werte. Da aber die Schichtdicken mit wenigen zehntel Millimeter nur sehr gering sind, beeinträchtigen sie die Diffusionsfähigkeit der Wand im Allgemeinen kaum. Jedoch wird aber die Sorption (Wasserdampfaufnahme) beeinflusst und das ist gerade für Innenräume zum Abbau der Feuchtespitzen der Raumluft wichtig.
So ist entspricht der sd-Wert einer 0,5 mm dicken Schicht aus Leimfarbe [4] mit μ=180 ... 215, sd = 200 x 0,0005 m = 0,1 m.
Wird ein Kunstharzdispersionsanstrich [4] mit μ= 1800 verwendet, so liegt der sd-Wert bei 0,9 m. Bei einem Ölsockelanstrich mit μ= 10.000 sind dies 5 m. Damit wird deutlich, warum früher gerade an dieser Wandbeschichtung in der Küche nach dem Kochen sich ein Feuchtigkeitsfilm (Kondenswasser) bilden konnte und der sich darunter befindliche Putz bei Altbauten meist schadhafter ist. Wobei aber noch andere spezielle Stoffeigenschaften als nur die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl berücksichtigt werden sollte.
Bei diesen beiden Beispielen in einer Wohnung in Kiew (Ukraine) wurde das Bad und die Küche vollständig mit einer Kunststoffpaneele verkleidet, also mit einem wassersperrenden Material. Da man die Wohnung vermieten möchte, wollte man die künftigen Malerarbeiten vermeiden. Trotz des großen sd-Wertes gibt es an der Oberfläche der Paneele keine Probleme. In der Küche lag bei einer Außentemperatur um 5° C und dicht schließender Fenster (Wärmeverbundfenster) eine Luftfeuchte um 50% vor. Im Bad allerdings bildete sich auf der Siliconfuge an den Eckprofilen nach 4 Monaten Schimmelpilze. (Die Silikonfuge ist bei dieser Wandverkleidung nicht erforderlich.) Eine Bildung von "Schwitzwasser" (Tauwasser) auf der Oberfläche der Panel konnte nicht festgestellt werden.(Zeitabschnitt mehre Wochen). Bei sorptionsoffenen Flächen mit niedriger Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl werden Feuchtespitzen aufgenommen. Das ist in diesem Fall nicht möglich. Ebenso liegt im Bad durchschnittlich eine höhere Raumtemperatur vor. Beide Einflussfaktoren begünstigen das Wachstum von Schimmelpilzen.
Werte der Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl unter:
# μ = 10 zeigen eine sehr gute Diffusionsfähigkeit für Wasserdampf an;
# 10 - 50 sind mittlere Diffusionswerte;
# bei Werten von 50 - 500 wird die Dampfdiffusion eingeschränkt;
# bei 500 - 15.000 wird sie stark eingeschränkt;
# ab 15.000 wirkt ein Material wasserdampfsperrend;
# ab 100.000 ist ein Material dampfdicht.
Die Richtung der Diffusion wird von dem absoluten Feuchtegehalt der Luft bestimmt und ist so bei kalter Außenluft nach außen gerichtet. Sie ist nicht abhängig von der Richtung des Wärmestroms, sie kann dieser entgegengesetzt gerichtet sein. Wasserdampf kann trotz starker Abkühlung auf der anderen Seite der Wand herausdiffundieren, ohne seinen Aggregatzustand zu wechseln, also keine Tauwasserbildung an der Oberfläche. Dies ändert sich jedoch, wenn sich auf der kalten Seite eine dichte Schicht befindet und sich so ein Staubereich bildet, wo ein Dampfsättigungsdruck aufgebaut wird. Dann kann eine Kondensation ausgelöst werden. [3]
Bei zu geringem sd-Wert bei einer Außenwand kann der Taupunkt bei feucht-kaltem Wetter für die nach außen diffundierende Raumluftfeuchte schon unter verhältnismäßig normalen Bedingungen in der Wand liegen. An der Stelle beginnt dann die Durchfeuchtung der Wand um so stärker, je kleiner ihre Diffusionsfähigkeit ist.
Für Außenwände gelten deshalb Werte zwischen sd= 4 und sd = 7 als besonders günstig.
Zur Vermeidung einer Wasserdampfkondensation bei mehrschichtigen Bauteilen soll von innen nach außen der Wärmedurchlasswiderstand zunehmen (Wärmedämmschicht außen) und die Dampfdurchlasswiderstände abnehmen. Diese Bedingungen werden zum Beispiel beim Wandaufbau, Innenputz, Kalksand, Vollsteine, Mineralwolle, Luftschicht, Fassadenplatte (Wand mit hinterlüfteter Fassade), erfüllt. Bleibt die Wand feucht, das ist gerade beim Neubau zu beachten, so kann das Wasser hinter einer wasserdichten oder -abweisenden Außenschicht, wie es zum Beispiel bei der Thermohaut der Fall sein kann, schlecht durch Diffusion entweichen und das Mauerwerk wird über lange Zeit geschädigt. [1] Dieses Problem tritt auch im ausgebauten Dachgeschoss auf, hier sammelt sich das Kondenswasser zwischen der Innenverkleidung aus Gipskarton oder Ähnlichem und der Dampfbremse. Es tropft dann in den Raum. Es wird dann angenommen, dass das Dach undicht ist. (Was unter Umständen auch sein könnte, daher ist genau die Ursache zu ermitteln.)
Da Gipskartonbauplatten nicht sehr stark sind, ist auch der sd-Wert gering (siehe oben). Je nach Farbbeschichtung (Art und Stärke) liegt der sd-Wert zwischen 1 eventuell maximal 10 m. Die Dampfbremse selbst hat je nach Art einen sd-Wert von 100 ... 200 m und damit ist die Dampfdiffusion eingeschränkt aber nicht unterbunden. Gerade wenn noch eine hohe Baufeuchte nach dem Neubau vorliegt, wird so die Dämmung durch Diffusion stärker befeuchtet als vorgesehen. Im folgenden Bild wird eine Dachschräge mit dem Anschuss an eine Giebelwand gezeigt. Die Dampfbremse wurde nicht fugendicht angeschlossen, das Gleiche gilt auch für Stöße. Trotz das die Gipskartonplatte fugendicht, mit Acryl oder Fugenband, an die Wand angeschlossen wurde, gelangt Feuchtigkeit (Diffusion) in den Hohlraum, zwischen Platte und Dampfbremse. Durch Fugen in der Dampfbremse wird ein Unterdruck aufgebaut, infolge des bestehenden Dampfdruckgefälles. Die warme Innenraumluft ist bestrebt, nach außen zu gelangen. Bei Windlast wir der Windsog noch verstärkt. Dies wirkt sich auch auf die Diffusion aus. Durch Untersuchungen von Wagner zu Wasserdampftransport infolge von Diffusion und Konvektion wurde ermittelt, dass bei einem sd-Wert = 10 m und mittlerer Diffusion aller 10 Stunden auf einer Fläche von 60 m2 etwa der Inhalt eines Schnapsglases durch das Bauteil diffundiert. [2]
Quelle:
[1] Kur, Friedrich; Wohngifte, Handbuch für gesundes Bauen und Einrichtungen, 3. Aufl. Verlag Eichborn, 1993, S.568
[2] Colling, Francois; Lernen aus Schäden im Holzbau, Deutsche Gesellschaft für Holzforschung Innovations- und Service GmbH, 2000, S. 132
[3] Eichler, Arndt; Bautechnischer Wärme- und Feuchteschutz, Bauverlag 1989, S. 95
[4] König, Holger; Wege zum gesunden Bauen, S. 95 ff
[5] Oberrauch, Berhard; Bauphysikalische Daten über Lehm, Wohnung + Gesundheit 9/92 Nr. 64 S. 48/49
[6] Zürcher, Christoph, Frank Thomas; Bauphysik Bau und Energie, 2.Aufl. 2004, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, S. 53
[7] Arndt, Horst; Wärmeschutz und Feuchteschutz in der Praxis, 2002, Verlag Bauwesen Berlin, S. 30